Die andere Seite der Medaille

Vor wenigen Tagen wurden wieder einmal die Gewinnerinnen und Gewinner des Deutschen Verlagspreises bekannt gegeben. Ausgelobt wurde die jährliche Vergabe von jeweils 24.000 Euro an 60 kleine und unabhängige Verlage, sowie 60.000 Euro an drei weitere Verlage, bereits zum fünften Mal von der Staatsministerin für Kultur und Medien. Besonders in Zeiten von Inflation ein großer Segen für unabhängige Verlage. Diese leiden weiterhin unter hohen Produktionskosten, fortgesetzten Sichtbarkeitsproblemen im Buchhandel, der Auslistung von wichtigen (aber zu wenig umgesetzten) Titeln durch den Großhandel, sowie großen Remissionsaktionen und einer teilweise fragwürdigen Zahlungsmoral durch ebendiese.

In diesem Jahr haben sich 358 Verlage beworben, die Zahlen in den Vorjahren waren ähnlich hoch. Klar, dass nicht alle Verlage berücksichtigt werden können, zumal es sich um einen Preis mit Wettbewerbscharakter handelt. Ich habe in dieser Woche zum fünften Mal eine Absage erhalten, übrigens mit immer dem gleichen Wortlaut: „Die Jury hat bei der großen Anzahl und dem sehr hohen Niveau der Bewerbungen eine schwierige Entscheidung zu treffen. Die Qualität Ihrer verlegerischen Tätigkeit wurde von der Jury wahrgenommen und wertgeschätzt. Ich darf Sie bitten, die getroffene Entscheidung nicht als negative Bewertung aufzufassen und sich – sofern der Preis im nächsten Jahr erneut ausgelobt wird – wieder darum zu bewerben.“ So ganz verstehe ich das nicht – ich soll es nicht als negative Bewertung auffassen, wenn ich es in fünf Jahren nicht schaffe den Wettbewerb positiv abzuschließen? Warum rutsche ich offenbar immer aus dem Kriterien-Schema der Jury heraus? Demnach sollen die Verlage „(ein) innovatives Verlagsprogramm, die Qualität ihrer verlegerischen Arbeit, die Umsetzung außergewöhnlicher Projekte, eine besonders ansprechende Gestaltung der Bücher sowie besonderes kulturelles Engagement, beispielsweise zur Förderung der Lesekultur“ mitbringen. Das trifft sicherlich auf alle bisherigen Preisträgerinnen und Preisträger zu. Aber vielleicht auch auf meinen Verlag, den ich seit fast 25 Jahren betreibe, mit seinem innovativen und mutigen Programm aus Pop, Literatur und Reportage, oder? Leider gibt die Jury keine Begründungen ab, warum die Verlage für den Preis ausgesucht wurden. Das schafft viel Raum für Spekulationen, und das ist nie gut. Und dann ist da noch der Umstand, dass es Verlage gibt, die den Preis schon mehrmals erhalten haben, einige sogar schon vier Mal. Meiner Meinung nach sorgt diese Vergabepraxis damit für eine Zwei-Klassen-Gesellschaft unter den professionell arbeitenden Independent-Verlagen. Und tatsächlich fühle ich mich nicht gut damit und schon gar nicht „wertgeschätzt“, wie es so schön in der Email aus dem Büro der Staatsministerin heißt. Leider betrifft dies auch meine Autorinnen und Autoren, ihre Arbeit ist offenbar weniger Wert, wenn sie bei mir veröffentlichen. Ich kann mir kein Preislogo auf meine Webseiten, Messestände oder Verlagsvorschauen packen. Die Folgen sind offensichtlich: Verlust von Sichtbarkeit und Renommee gegenüber Autor:innen, dem Buchhandel und Kulturinstitutionen (ja, auch für weitere Preise und Förderungen). Ist es das, was der Verlagspreis bewirken soll? Aber nein, ich möchte nicht spekulieren.

Ich gönne den Kolleginnen und Kollegen jeden Cent, die sie in ihre tolle Arbeit stecken können. Nur leider sieht es für einen Verlierer dieses Spiels so aus: 24.000 EUR – mit dieser Summe müsste ich mir keine Gedanken machen, ob ich mir im kommenden Jahr einen Stand in Leipzig leisten kann; könnte einen Anwalt für die Beratung zu einem aktuellen Rechtstreit bezahlen; könnte mein Werbebudget erhöhen; hätte Luft für einige tolle Projekte (die ich nun nicht mache). Kurz – der Verlag kommt nicht so voran, wie ich es mir wünsche. Und ich könnte einen Teil des Geldes in die Tilgung von Krediten stecken. Denn auch das ist die bittere Wahrheit, die oben genannten Probleme sind nicht nur bloße Theorie, im Frühjahr rettete nur ein (weiterer) Kredit aus meinem familiären Umfeld das Fortbestehen meines Verlages.

Eigentlich sollte sich die vielfältige und einzigartige Verlagslandschaft in Deutschland finanziell selber tragen können. Und kein Verleger sollte seinen Betrieb durch Neben- oder Teilzeitjobs als Lagerist, Sozialarbeiter oder Designer kofinanzieren müssen. Der Verlagspreis ist aber auch nicht die Lösung. Zumindest nicht für alle. Ich kann mich daher nur der Forderung nach einer strukturellen Verlagsförderung und mehr Angeboten von Publikationsförderung anschließen, die derzeit von vielen Seiten kommt. Besonders gelungen finde ich dazu übrigens den Text zum „Jakob Schabelitz-Preis für unabhängige Kleinverlage“ vom Alibri Verlag, der viele der von mir geübten Kritikpunkte zum Verlagspreis ausformuliert.

Aufgeben ist keine Option. Zumindest bisher nicht – aber die Laune sinkt.

Andreas Reiffer, 21. Juli 2023

PS Bitte unterstützt die change.org-Petition zum Thema.

Foto: A. Veersmann

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