Jede Ablehnung ist eine Demütigung

Drei Fragen an Karsten Weyershausen zu »Der finale Notausgang« 

Karsten Weyershausen sollte den meisten als Illustrator einer mittlerweile großen Anzahl von Buchumschlägen des Verlags Andreas Reiffer bekannt sein. Nun hat das Multitalent ein Buch geschrieben, dessen Inhalt so gar nichts mit seinen witzigen Cartoons oder farbenfrohen Buchgestaltungen zu tut hat.
»Der finale Notausgang« ist der erste Band unserer neuen »edition kopfkiosk« und beschäftigt sich mit dem spannenden Phänomen, dass es gerade in der Filmbranche zu vielen Freitoden kommt. Weyershausen beleuchtet 28 Biografien – unter anderem von Robin Williams, Dean Reed, Raimund Harmstorf, Jean Seberg und Marilyn Monroe – sowie die damit verbundenen Selbsttötungen.


Nach welchen Kriterien hast du die 28 porträtierten Filmmenschen für dein Buch ausgesucht?

Bei vielen der etwa 150 Filmschaffenden, deren Vita ich bei der Vorauswahl durchgesehen habe, sind die Hauptgründe für den Suizid meist berufliche Misserfolge oder langjährige Depressionen. Ruhm und Erfolg machen nicht zwangsläufig glücklich. Selbst Frauenschwarm Owen Wilson unternahm vor Jahren nach einer gescheiterten Beziehung einen Suizidversuch.
Ich wollte möglichst vielfältige Motive aufzeigen, die zu einem Selbstmord führen können. »Keinem fehlt je ein guter Grund sich zu töten«, behauptete der italienische Schriftsteller Cesare Pavese.
Der Bekanntheitsgrad der Personen war mir dabei gar nicht so wichtig. Stummfilmkomiker Max Linder beispielsweise war zu seiner Zeit ein größerer Star als Tom Cruise. Heute ist er so gut wie unbekannt. Anhand der Filmplakate im Buch kann man jedoch erkennen, dass jede der vorgestellten Persönlichkeiten einmal berühmt war. Wenn es mir gelungen ist Interesse an den Schicksalen dieser Menschen geweckt zu haben, habe ich mein Ziel schon erreicht.

Hast du eine Erklärung dafür, warum es ausgerechnet in der Filmbranche eine viel höhere Suizidrate gibt als in anderen Berufsgruppen?

Gerade Schauspieler sind ständig einer Bewertung ausgesetzt. Selbst große Stars haben daher eine Todesangst vor Castings. Das Vorsprechen gehört in dieser Branche jedoch zum Alltag. Quentin Tarantino hat es in »Once Upon a Time in Hollywood« ganz gut auf den Punkt gebracht: Sein abgehalfterter Star Rick Dalton wird in diesem Film von Selbstzweifeln geradezu zerfressen. 
Wer im normalen Leben beim Vorstellungsgespräch eine Ablehnung bekommt, kann recht gut damit umgehen. Es geht meist um die berufliche Qualifikation. Bei Schauspielern, die sich durch ein Image oder ihr Aussehen definieren, ist jede Ablehnung eine Demütigung. Wenn man dann ein Jahr lang kein Angebot bekommt – was selbst vielen großen Namen oft passiert ist – nagt das am Selbstwertgefühl. Dazu spielt die Angst vor dem Alter eine große Rolle. Besonders in dieser Hinsicht ist die Branche unglaublich brutal. Wer da keinen Halt durch die Familie und ein funktionierendes soziales Umfeld hat, schlittert fast zwangsläufig in die Krise. 

Was müsste sich vielleicht in der Branche und gesellschaftlich ändern, damit weniger Schauspieler und Regisseure den »finalen Notausgang« nehmen? 

Mehr Menschlichkeit vielleicht. Schauspieler und Regisseure werden nur nach ihrem aktuellen Marktwert beurteilt, nicht nach der Lebensleistung. Wer mehrere Flops in Folge landet, bekommt von den Produzenten keine Chance mehr, auch wenn das Talent noch immer vorhanden ist. Diese Härte hat sich mittlerweile in der ganzen Gesellschaft breitgemacht. In einigen Berufen werden Leute schon gemobbt, weil sie die 40 überschritten haben. Wer nicht einem Idealbild entspricht oder auf Knopfdruck funktioniert, wird ausgemustert. Tragisch wird es, wenn man anfängt sich selbst nach solchen Kriterien zu bewerten.

Am 6. März 2020 ab 20.00 Uhr liest Karsten Weyershausen anlässlich der Buchpremiere aus »Der finale Notausgang« im EiKo e.V. Braunschweig (Hamburger Strasse 273, Eingang B2, Schimmelhof, Braunschweig), 6,- EUR Eintritt (Abendkasse). Als Gäste hat er sich Claus Tepper und Axel Klingenberg eingeladen.

Mehr Infos zum Buch / Leseprobe

Pressestimmen zu Buch (folgt demnächst)

Foto: Michael Völkel; Plakate: United Artist, Magister

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert